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Nach dem Tod des Fürstbischofs von Lübeck und Herzogs von Oldenburg Friedrich August (+ 1785) folgte ihm sein Neffe, der geborene Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf  Peter Friedrich Ludwig – PFL – (1755-1829) ins Amt des Fürstbischofs.

Er war ein Cousin der Zarin Katharina II. und von ihr gefördert (Bildungsaufenthalt in der Schweiz und Studium in Bologna).

 

Auf Reisen,  besonders auf seiner England-Schottland-Reise von 1775-1776 konnte PFL englische Landschaftsgärten kennenlernen und gestaltete bald danach schon seinen Privatgarten am Schloß Rastede ‚landschaftlich‘ um.

Abb. Die Eutiner Lindenallee. (Foto: Thietje 1991)


Im Herzogtum Oldenburg leitete er seit 1785 die Administration, bis er 1824  im nunmehrigen Großherzogtum Oldenburg die Regierung übernahm.

In der Residenz Oldenburg ließ er nach 1803 einen Landschaftsgarten anlegen, was unter anderem für nachhaltige Reiseeindrücke spricht.

1803 wurde aus dem Fürstbistum Lübeck das erbliche Fürstentum Lübeck; es ging in den persönlichen Besitz PFLs über.
 

Zur Zeit seiner Landesherrschaft im Fürstbistum Lübeck von 1785 bis 1803 ließ er den Französischen Garten in Eutin aufheben und den Landschaftsgarten anlegen.

 

Auf dem relativ kleinen Gartenareal von ca. 15 ha entstand ab 1787/88 am Großen Eutiner See ein Landschaftsgarten von bemerkenswerter Schönheit und Ausdruckskraft. PFL schuf das bedeutendste Gartendenkmal der Aufklärung, das es heute in  Schleswig-Holstein gibt. 

Abb. Der Philosophische Gang an der Schloßbucht. Gemälde von Fr. Loos um 1870. (OHM)


Der Fürstbischof ließ den Umriß des Französischen Gartens um einen Teil der Wildkoppel erweitern, so daß Gelände für die Anlage des Tempelgartens gewonnen wurde. Auch die beiden Piependieke und ein Gelände für einen Küchengarten waren nun in den Hauptgarten einbezogen.

 

Der Querkanal (‚Tralau-Graben‘) wurde nach der Entfernung bassinartiger Einfassungen ebenso wie der am Bauhof gelegenen Duvendiek übernommen, so daß die Wasserkunst nun 4 ‚natürliche‘ Teiche umfaßte. 

Abb. Entwurf IV zum Landschaftsgarten, aquarellierte Federzeichnung, unsigniert. (D. Rastedt, um 1788, in Absprache mit Fürstbischof Peter Friedrich Ludwig) (OHM)


Das System der Wasserkunst wurde insofern verändert, als das aus dem Lindenbruch herangeführte fließende Wasser über die Teiche und über zwei Wasserfälle in meist offenen Gräben zum Schloßgraben und zum See geleitet wurde.

 

Für die querenden Wege wurden acht überwiegend weiß angestrichene Brücken unterschiedlicher Form geschaffen, die die Gartenszenen ‚belebten‘.

Abb. Die Chinesische Brücke (nach Chambers/Palladio)

(Foto: Thietje 1991)


Das lebhafte Relief des Gartens blieb im Wesentlichen erhalten; es wurde nur hier und da für Szenen modelliert und die Stufen der vorherigen Wasserkunstanlagen weich überformt, so daß im Südteil des Gartens ein etwa gleichmäßig ansteigendes Gelände entstand.

 

Der natürliche Abhang am Seeufer blieb erhalten, an dessen ‚Fuß‘ der schon bestehende Philosophische Gang mit seinem älteren Baumbestand übernommen und um die Schloßbucht herum noch erweitert wurde.

 

Abb. Die Schloßbucht vom Philosophischen Gang aus, 

mit dem Seepavillon (l.), dem Bootshaus (r.) und der Fasaneninsel. Lithographie um 1870 von R. Geissler.(Privat)


In dem nunmehr vervollständigten Gartengelände, das die ostholsteinische Landschaft mit ihrem postglazialen Relief und eingebetteten Seen widerspiegelt, steigerte PFL den Ausdruck der z.T. schon im Französischen Garten vorhandenen Interpretation der Szenen:

so deutete er das Gelände zwischen Schloßbucht und Bauhof als ländliche Gegend, den weiteren, tiefgelegenen Bereich um die ehemalige grottierte Eremitage als geeignet für die Errichtung einer andersartigen Grottenarchitektur in Wassernähe, den höchsten südlichen Gartenteil, in dem schon der große Pavillon von 1735 gestanden hatte, als würdevollen Standort für den Monopteros...     

 

Durch die Erweiterung des Schloßgartens verlor das ohnehin randständige Schloß im äußersten Norden der Gesamtanlage seine beherrschende Stellung. Es erhielt eine andere Qualität als zuvor. Der  Herrschersitz wurde rein optisch zum Teil des Gartens.

Abb. Eingangsbereich und Südwestturm des Eutiner Schlosses.

(Foto: Peter Lehmann)


PFL  stellte seinen eigenen Sitz auf diese Weise souverän in Frage. Nicht das Schloß, sondern der Monopteros als Weisheitstempel wurde zum Hauptgebäude. Diese Aussage hängt offenbar mit dem Verständnis von Macht zusammen.

Abb. Schriftbeispiel von Peter Friedrich Ludwig

Nach unserem Wissensstand hat PFL über seine Gestaltungsabsichten keine schriftlichen Nachrichten hinterlassen. Er überläßt es dem Betrachter, diesen Garten zu interpretieren. In der Geschichte der Landschaftsgartenkunst hatte man sich allmählich  von der Emblematik gelöst, um zur Expression überzugehen. Dies bedeutete für den Gartenbesucher, daß statt des Wissens um die Bedeutung der Sinnzeichen nun überwiegend  der Eindruck zur Lösung von Sinnbezügen bedeutsam wurde, die in der neuen Ästhetik  der ‚landschaftlich‘ gestalteten Anlagen zum Ausdruck kamen. Dennoch lag ihnen natürlich das Wissen des hochgebildeten Fürstbischofs zugrunde.


In der 1727 herausgegebenen 4. Auflage des Buches „Characteristicks, ...“  des Philosophen Shaftesbury ist ein Rundtempel abgebildet, der mit „Fel. Temp.“ = templum felicitas, Tempel der Glückseligkeit, bezeichnet ist, gleichbedeutend mit Tempel der Weisheit.

 
Abb. Freimaurertempel (templum felicitatis)
aus Shaftesburys "Characteristicks ..." (1727) (ELB)
 

Mit Weisheit sei Glückseligkeit auf Erden zu erreichen. Der für den Klassizismus so bedeutsame Tempeltypus des Rundtempels dürfte in dieser freimaurerischen Version im Hinblick auf seine symbolhafte Bedeutung einen wichtigen Impuls bekommen haben. (Ein Exemplar des Buches befand sich in der Eutiner Schloßbibliothek, heute ELB.)

 

PFL beauftragte den bedeutenden dänischen Architekten C. F. Hansen (1756-1845) mit dem Entwurf eines Sonnentempels (1792). Doch nicht die festliche Ausschmückung, nicht die freundliche jonische Ordnung  traf den Ausdruck, den sich der Fürstbischof vorstellte.

 

Abb.  Christian Frederik Hansen, Entwurf eines Monopteros (1792) für den Eutiner Schloßgarten. (SAE)


Es entstand ein achtsäuliger Monopteros strenger dorischer Ordnung in der toskanischen Fassung (1792, 1796-97). Vorbilder waren zwei Tempel, die William Chambers (1723-1796) für Kew Garden(s) bei London geschaffen hatte. In Eutin hatte Hofbaumeister Peter Richter (1750-1805) die Bauleitung. Die Dekoration des Frieses besteht in Opferschalen und Stierschädeln (von Opfertieren). Die Modelle dazu und zu den Halsringrosetten stammen von August Friedrich Moser (1746-1810),  ebenso die meisten Säulen. 

 

Der Eutiner Monopteros bietet einen ernsten Ausdruck. Er verweist auf die Entsagungen und Mühen, die beim Erwerb von Weisheit auf sich genommen werden. Die Problematik, Weisheit zu erlangen, liegt bekanntlich im ‚Weg‘. Er erfordert das Bemühen um cognitive und affektive Vervollkommnung.

Abb. Der verwirklichte Eutiner Sonnentempel. (Foto: LDSH)


Der Weg zum Höhepunkt des Gartens (zur Weisheit) sei mühsam zu finden, erfordere Anstrengungen, halte Rückschläge und Teilerfolge bereit, könne in die Irre führen, böte Ablenkung oder gar Verführung, verlange Opferbereitschaft..., so mag die Vorstellung des Gartenschöpfers gewesen sein. 

 

Es sind vor allem affektive Leistungen, die zum Erfolg führen; es reicht nicht, gute Verstandeskräfte zu haben.

 
Abb. Der ältere Teil des Philosophischen Gangs.
(Foto: Thietje 1991)

Dem Besucher bleibt es überlassen, die entsprechenden Szenen zu finden, z.B. die Lindenallee (1788) oder die Statue Flora.

In Eutin ist der Hauptweg als circuit (Rundweg) angelegt. Er beginnt an der tiefsten Stelle des Gartens – am Seepavillon - , zieht sich über die Lindenallee und weiter über den Philosophischen Gang und die ‚Ländliche Gegend‘, folgt einem inneren Rundgang als Schleife um den Küchengarten und holt weit aus, um zum höchsten Punkt zu führen, zum Sonnentempel.

Der Rückweg geleitet zum Schloß zurück. Auf diesem Weg, der auch Alternativen bietet – Wahlmöglichkeiten des mündigen Bürgers - , sind ‚Prüfungen‘ zu bestehen, die dem Ziel näher bringen.

Abb.  Die  Flora im Original, noch auf der Schloßinsel.

Abb. Die Flora als Kopie, am Originalstandort.

(Foto: Thietje 1985)

   

(Foto: P. Lehmann 2003)


Ein wichtiger Hinweis befindet sich im sog. Tuffsteinhaus (1794), das nach einem leicht veränderten Entwurf von C. F. Hansen (1792) und mit skulpturalen Dekorationen von A. F. Moser verwirklicht wurde. 

 

Die Bauleitung hatte Peter Richter. Das Tuffsteinhaus, errichtet aus heimischem Tuff (Travertin), erscheint außen grottiert, und seine Lage deutet auf die Situation einer Grotte hin (Behausung der Nymphen), doch die Form entspricht einem Tempel.

Abb. Christian Frederik Hansen, 1792, Entwurf eines Gartentempels für Eutin,  

Ausschnitt.  (SAE)

Abb. Ein opfernder Jüngling vor einem Tempel. Hellenistisches Relief.
(Abb. 52 in: M.-L. Gothein, Gesch. der Gartenkunst)

In beiden Alternativentwürfen Hansens sind Dekorationen der Opferung vor der Nymphengöttin Artemis zu erkennen.

Doch sie ist nicht der Verehrungsgegenstand, denn in den seitlichen Rundbogennischen wurden die Marmorbüsten Aratos und Seneca aufgestellt (1794 bezogen aus Florenz), in diesem Falle doch emblematisch: die Vertreter der griechischen und römischen Kultur haben  die Göttin der Wildnis verdrängt.

 

Nicht die Wildnis, nicht die Nachahmung der Natur ist das Gestaltungsziel, sondern die Veredelung der Natur durch Kultur: ein wichtiges Anliegen der Aufklärung.

Abb.  Die Szene des Tuffsteinhauses, Entwurf von Ludwig Philipp Strack um 1800, ...

(weitere Angaben ... Graphit usw.) (Kunsthalle zu Kiel)


Die Sensibilität, die noble Zurückhaltung, die in diesem Garten zum Ausdruck kam, mag für lange Zeit der Grund dafür gewesen sein, daß seine Qualität im ‚Konzert‘ der Landschaftsgärten kaum wahrgenommen wurde. Dazu werden auch die vergleichsweise geringen Ausmaße beigetragen haben.

 
Abb. Der Große Wasserfall, gestaltet von A. F. Moser 1790-91, hier im Kupferstich um 1800 von Ludwig Philipp Strack wiedergegeben. (Privat)

 

Abb. Der Große Wasserfall, 2003 während der Restaurierung. (Foto: P. Lehmann)

 

Die geringe Größe aber geriet zum Vorteil: sie führte über den ästhetischen Ausdruck hinaus zu einer insgesamt dichten künstlerischen Aussage. Im Kern seiner Aussage veraltet dieser Landschaftsgarten nicht; er war und ist in seinem Hinweis auf das Bemühen um Weisheit auf Zukunft bezogen.